Nach Volkswagen droht jetzt auch der Deutschen Bank ein Kampf ums Überleben infolge einer Klage des amerikanischen Justizministeriums: Ging es bei VW um Dieselgate, handelt es sich bei dem bedeutendsten hiesigen Geldhaus um Nachwirkungen der Hypothekenkrise. Beiden Fällen gleich aber ist die immens hohe Forderung. 14 Milliarden Dollar wollen die Amerikaner nun von der Deutschen Bank.
Das ist nicht nur viel Geld, es dürfte auch viel mehr sein, als die Deutsche Bank überhaupt aufbringen kann. Zwei Gründe dafür: Die Kapitalbasis des Geldhauses gilt Experten zufolge als gerade noch solide bis angespannt.
So hat der bisher letzte Bankentest der Europäischen Bankenaufsicht der Deutschen Bank zwar ein derzeit ausreichendes Kapitalpolster bescheinigt. Finanzmarktforscher um das Europäische Zentrum für Wirtschaftsforschung kommen aber auf eine Milliardenlücke, wenn die Europäische Bankenaufsicht bei ihrem Test die Vorgaben der US-Bankenaufseher für Amerikas Kreditinstitute angewendet hätte.
Entsprechend reagiert der Aktienkurs der Deutschen Bank. Um bis zu 8 Prozent ist die Notierung nach Bekanntwerden der Forderung in den Keller gerauscht. Damit notierte sie am 16. September 2016 nur noch bei etwa 12,20. Damit nicht genug: Der Abwärtsdruck hält auch am 19. September an. Bis zum Vormittag gab die Notierung um weitere 1,6 Prozent auf 11,60 Euro nach. Das ist – mehr oder weniger – historisch niedrig.
Der zweite Grund: Die ganze Deutsche Bank ist damit an der Börse mit knapp 18 Milliarden Euro kaum mehr wert, als die Strafforderung des US-Justizministeriums. Und dieser Wert spiegelt die operative Schwäche des Bankhauses wider:
Schon für das Jahr 2015 meldete es einen herben Verlust, in der ersten Hälfte dieses Jahres 2016 sanken beispielsweise die Erträge um vier Milliarden Euro, der Gewinn lag unter einer Milliarde Euro.
„Die Deutsche Bank wird diese Strafe nicht ohne Kapitalerhöhung bezahlen können“, sagte Clemens Fuest, Präsident des Ifo-Instituts, dem Handelsblatt. Bei jeder Milliarde Euro, die über den Wert von drei Milliarden hinausginge, sinke das Eigenkapital der Deutschen Bank um weitere 0,25 Prozentpunkte.
Für manche fast schon ein guter Ausgang der Krise, sie fürchteten schon lange eine baldige Kapitalerhöhung der Deutschen Bank zu ihren Lasten. Nun aber sind nicht wenige Investoren aber in Sorge um die pure Existenz der Bank. Da halfen auch keine Beschwichtigungen des Deutsche-Bank-Chefs John Cryan:
„Die Deutsche Bank erwartet ein Verhandlungsergebnis, das im Bereich ihrer Wettbewerber liegt, die sich mit dem US-Justizministerium bereits auf deutlich niedrigere Beträge geeinigt haben“, erklärte das Institut. Man beabsichtige, „auf keinen Fall, diese möglichen zivilrechtlichen Ansprüche in einer Höhe zu vergleichen, die auch nur annähernd der genannten Zahl entspricht“.
Noch nicht reagiert hat die Bank im Rahmen ihrer Risikovorsorge für Rechtsstreitigkeiten, die in der Vergangenheit viele Anleger kritisiert hatten. Derzeit hat die Bank dafür 5,5 Milliarden Euro zur Seite gelegt – darunter beispielsweise für den Geldwäschestreit in Russland. Anlegern ist klar, dass diese Summe nun nicht reichen wird. Doch welche würde reichen?
„Alles über sieben Milliarden Dollar wäre für die Deutsche Bank sehr gefährdend“, warnt nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters einer der zehn größten Aktionäre der Deutschen Bank. Ihn dürfte beunruhigen, was Andrew Lim denkt, Analyst der französischen Großbank Société Générale. „Insgesamt könnte sich der Kapitalbedarf auf rund 20 Milliarden Euro belaufen“, schätzt Andrew Lim.
Politiker denken deshalb schon einen Schritt weiter: Sie fürchten bereits eine Staatsbeteiligung an der Deutschen Bank.
„Die Frage wäre doch, wie groß wäre der Schaden für die Volkswirtschaft, falls die Bank kippen würde“, sagte der Grüne-Finanzexperte Gerhard Schick der Agentur Reuters.
Anleger wie Beobachter haben dann auch eine Hoffnung: Die Schadensforderung der US-Justiz könnte tatsächlich deshalb deutlich reduziert werden, weil sie eben in der ursprünglichen Höhe schlicht den Bestand der Deutschen Bank gefährdet, sie vielleicht sogar in die Insolvenz triebe. Damit aber würde ein Bankhaus kollabieren, das zu den vernetztesten der Welt zählt, die Schockwellen würden auch die USA erreichen.
„Angesichts der prekären Finanzlage einiger europäischer Banken, von denen die Deutsche eine des risikobehaftetsten und systemrelevantesten ist, ist diese Strafandrohung verstörend und wirkt kurzsichtig und unnötig strafend“, sagte dann auch Analyst Neil Wilson vom Brokerhaus ETX Capital.
Dass die Existenzsorgen der Anleger nicht aus der Luft gegriffen sind, zeigt die Tagesordnung des Ausschusses für Finanzstabilität der Bundesregierung, der am 16.9.2016 tagte; ihm gehören unter anderem Vertreter des Bundesfinanzministeriums, der Bundesbank und der Finanzdienstleistungsaufsicht Bafin an. Nach Angaben des Handelsblatts beriet das Gremium über die Lage der Deutschen Bank nach der Strafandrohung aus den USA.
Das allerdings ist auch kein gutes Zeichen für die Anleger der Deutschen Bank. Sollte ihr der Staat tatsächlich zu Hilfe eilen, wie in der Finanzkrise einst etwa der Commerzbank, wären sie einen Teil ihres Besitzers im Gegenzug für die Rettung los. Und der deutsche Steuerzahler überwiese indirekt Milliarden an Amerikas Steuerzahler.
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