Aktionäre, die ihre Eigentumsrechte aktiv wahrnehmen und nicht einfach und brav abnicken, was die Verwaltung eines Börsenunternehmens Ihnen so alles vorsetzt, sollten eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Hierzulande sind sie freilich immer noch eine eher seltene Spezies. Und besonders beliebt beim Business-Establishment sind sie auch nicht gerade.
Der schwedische Finanzinvestor Cevian Capital hat das bei ThyssenKruppausgesprochen nachhaltig erlebt. Als Cevian vor bald fünf Jahren bei dem Traditionskonzern eingestiegen ist, jubelte die Börse; der Kurs schoss um mehr als fünf Prozent in die Höhe. Eine echte und nachhaltige Wertsteigerung bei ThyssenKrupp haben die Skandinavier allerdings nicht erreicht, obgleich sie sich redlich mühten, dabei aber nicht immer mit Geschick operierten.
Jetzt kommt mit dem amerikanischen Finanzinvestor Elliott Verstärkung – und die Börse jubelt wieder: Als die Bloomberg-Meldung über den bevorstehenden Elliott-Einstieg am 22. Mai über die Ticker lief, sprang dief Aktie zeitweise um fast zehn Prozent nach oben.
Die Reaktion der Börse ist – noch – ein Hoffnungswert. Getrieben von der Hoffnung, dass die sowohl unendliche, uneffektive und auch halbherzige Umstrukturierung des Essener Konzerns unter Vorstandschef Heinrich Hiesinger bald ein Ende findet und bald von einer mutagen Strategie abgelöst wird. Heinrich Hiesinger gehört ohne Zweifel zu den Topmanagern, die die Geduld ihre Aktionäre nachhaltig strapazieren. Bei der Hauptversammlung im Januar präsentierte er das neue Outfit des Unternehmens: Das Logo strahlt jetzt in jungen, frischen Farben. Thyssen-Bogen und Krupp-Ringe sind vereint, das “T” schreibt man klein. Das Logo wirkt locker, filigran und kompakt.
In der Konzernbilanz ist die Auffrischung freilich nich angekommen. Die Renditen seien zu bescheiden, die Margenziele erst Recht, moniert Cevian. Der Konzern insgesamt sei viel zu komplex, lautet die Kritik verdichtet. “ThyssenKrupp braucht einen Befreiungsschkag”, forderte Cevian-Chef Lars Förberg öffentlich.
Konzernchef Hiesinger kontert mit Rhetorik aus dem Wörterbuch der deutschen Bundeskanzlerin: Seine Strategie des integrierten Industriekonzerns sei alternativlos. Er zeigt sich von der Kritik seines zweitgrößten Investors überrascht. “Das bereinigte EBIT liegt nicht nur über unserer Prognose, sondern wir haben auch den Rückgang aus dem Vorjahr aufgeholt.”erklärte er. Die Ziele habe Thyssenkrupp, neuerdings ja thyssenkrupp, mit einer Ausnahme im Geschäftsjahr 2015/16 doch immer erreicht und sogar übertroffen.
Das mag ja sein. Aber immer noch leidet der Konzern an einer Tyrannei des Status-Quo: Das Unternehmen ist ein Koloss. Die verordnete Flexibilität endet bei der Besetzung des vierköpfigen AG-Vorstands, bei den Business Areas beginnt das Chaos. Diese Einheiten bestehen aus Components Technology, Elevator Technology, Industrial Solutions, Material Services und Steel. Früher war da noch Steel Americas – bevor es an Ternium verkauft wurde. Die Business Areas haben ihre eigenen Vorstände. Sie sind erneut unterteilt in sogenannte Business Units und Operating Units, die wiederum mit verschiedenen Spezialisierungen operieren.
Doch die interne Kommunikation scheint ausgesprochen schwer zu fallen, oder präziser: Wie bei einer Behörde.
Alternativlos ist Hiesingers Strategie allerdings mit Sicherheit nicht. Und wichtiger noch: Nicht nur Cevian oder Elliott, der Kapitalmarkt insgesamt bezweifelt ganz offensichtlich, dass Hiesingers Konzept einer inzwischen schon jahrelangen Restrukturierung und Neuausrichtung des Konzerns in absehbarer Zeit zu einer nachhaltigen Wertsteigerung führt. Sonst hätte die Börse anders reagiert.
Zudem wird die Geduld der Aktionäre immer wieder von neuen Negativmeldungen strapaziert. So fällt die Entscheidung über die Fusion der Stahlsparte nicht wie ursprünglichg geplant Anfang Mai, sondern erst im Juni.
Was also muss bei ThyssenKrupp passieren? Ein “Weiter so” von Hiesinger scheint kaum sinnvoll. Der Konzern braucht einen Neuanfang – auch und gerade im Topmanagement. Der Einstieg von Elliott kann dabei ausgesprochen hilfreich sein – nicht nur für die Aktionäre, sondern auch für die Mitarbeiter des Traditionskonzerns.