Wenn es noch einer Begründung bedurft hätte, dass virtuelle Hauptversammlungen die ohnehin lausige Kapitalmarkt-Kultur und bescheidenen Mitwirkungs- und Informationsrechte der Aktionäre in Deutschland stark beschneiden – die Hauptversammlungen von Volkswagen AG und Porsche SE haben sie geliefert, und zwar reichlich.
Theoretisch, nach den Vorschriften des Aktiengesetztes, soll die HV als Versammlung aller Aktionäre der Information und Beschlussfassung über alle wichtigen unternehmensbezogenen Vorgänge dienen. „Jedem Aktionär“, so will es Paragraph 131 des Aktiengesetzes, „ist auf Verlangen in der Hauptversammlung vom Vorstand Auskunft über Angelegenheiten der Gesellschaft zu geben“. Im Fall von VW und Porsche geriet die Beantwortung der Aktionärsfragen allerdings zur Farce.
Wie die Aufsichtsratsvorsitzenden Hans Dieter Pötsch bei der Volkswagen und Wolfgang Porsche bei der der Porsche SE die Fragen ihrer Geldgeber beantworteten, das erinnerte vielleicht an einen Grundkurs digitaler Fernunterricht für Einsteiger – aber nicht an einen offenen und tiefgründigen Informationsaustausch. Dabei gab es reichlich Informationsbedarf. Schließlich haben VW und Porsche den wohl größten automobilen Betrug der jüngeren Wirtschaftsgeschichte begangen. Mehr als 32 Milliarden Euro an Bußgeldern und Strafen hat der Dieselgate-Skandal bereits gekostet. Die Konzerne sind in endlose juristische Auseinandersetzungen verstrickt, weitere Milliarden sind im Feuer. Ex-VW- und Porsche-SE-Chef Martin Winterkorn ist wegen Betrugs und Kapitalmarktmanipulation angeklagt. Etliche andere Manager stehen ebenfalls vor dem Kadi.
An entsprechenden Fragen aus dem Aktionärskreis herrschte bei beiden HVs deshalb kein Mangel. Die amtierenden Oberaufseher haben in den vergangenen Jahren mehrfach Aufklärung und Transparenz versprochen. Und was machen sie bei den HVs tatsächlich? Sie verschanzen sich bei ihren Antworten hinter juristisch vorformulierten Worthülsen, produzierten wenig erhellende Mehrfach-Redundanzen ihrer Rechtsberater – um nur nicht zu viel über die wahre Lage zu verraten.
Der umstrittene VW-Oberadvokat Manfred Döss, im Nebenjob Vorstand Recht und Compliance bei der Porsche SE, gab sich gar nicht erst Mühe, die Aktionärsfragen ernst zu nehmen. „Wir werden alle Fragen“, so sagte der Doppelverdiener in der Porsche-HV, „im gesetzlich erforderlichen Umfang beantworten“ – mehr aber auch nicht.
Döss, Pötsch, Wolfgang Porsche & Co., mögen denken, warum sollten wir den freien Aktionären mehr sagen, die verfügen ohnehin nur über Vorzugsaktien ohne Stimmrecht, haben also eigentlich nichts zu melden. Tatsächlich reichte es auch so für Abstimmungsergebnisse, wie man sie aus Nordkorea kennt.
Aber das kann hierzulande ja wohl nicht der Maßstab sein. Wenn die freien Aktionäre erhellende Antworten auf ihre Fragen wollen, bleibt ihnen wohl nur eine Hoffnung: Dass die laufenden Gerichtsverfahren in München, Stuttgart, Braunschweig, Celle und wo auch immer noch die Skandalwirtschaft von VW und Porsche doch noch aufarbeiten. Von den Vorständen und Aufsichtsräten, das haben beide HVs gezeigt, ist in dieser Hinsicht wenig zu erwarten.